Band Craving in Bamberg: Gitarrist zieht sich Shirt aus, dann kommt die Polizei - was ist da los? (2024)

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Band Craving in Bamberg: Gitarrist zieht sich Shirt aus, dann kommt die Polizei - was ist da los? (1)

Üblich ist es nicht, dass dem Auftritt einer Metalband eine Podiumsdiskussion vorangeht, aber interessant, die ganze Band, erzählt Ivan, der Frontmann von Craving, sei dabei gewesen und habe mitdiskutiert. Das Thema: »Wieso ist der Metal so männerdominiert, und was muss passieren, um den Status quo zu verändern«. Der Status quo an jenem Abend: Er war kompliziert.

DER SPIEGEL 7/2024
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Lieben und lieben lassen

Sexuelle Freundschaften, offene Beziehungen und Polyamorie treten in Konkurrenz zur romantischen Paarbeziehung. Das Freiheitsversprechen ist groß, die Verunsicherung auch: Lässt sich die Liebe neu erfinden, ohne sie zu zerstören? Was wird aus Werten wie Vertrauen, Verlässlichkeit, Verbindlichkeit?

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Das JuZ, also das Jugendzentrum, liegt in einem Bamberger Hinterhof und ist offenbar ein Ort für Menschen, die Dinge richtig machen wollen und das mit Aufklebern und Plakaten bezeugen: für vegane Soli-Küche. Gegen fossile Brennstoffe. Gegen Rassismus, Faschismus, hom*ophobie. »Fight like a grrrl«, steht da auch, und der »Frauen*Kampftag Bamberg« will, dass man seine Privilegien überprüft.

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Oben ohne, gegen die Hausordnung

Es war dann allerdings ein Mann, der an jenem Dezemberabend für die Girls und die Frauen focht, so verstand er es jedenfalls.

Von einem »Eklat« war danach in Schlagzeilen die Rede; jedenfalls war es ein Abend, der grundsätzliche Fragen zum Thema Metal, Achtsamkeit und Kunst hinterließ.

Was da geschah, ist auf Video zu sehen: Vier Männer Mitte, Ende dreißig, Wanja am Schlagzeug, Ivan am Mikrofon, Stefan am Bass, Jonas an der Gitarre. Angemessen hart und heftig die Musik, das Publikum nah dran. Mitten in einem Song tritt ein Mann zur Bühne, fuchtelt, will etwas sagen. Sie spielen weiter. Der Mann will zum Gitarristen, greift nach dem Instrument, zieht daran einen Stecker, der Mann sagt etwas Empörtes, Ivan der Sänger sagt etwas Empörtes, das Konzert ist unterbrochen, später kommt die Polizei, was war geschehen?

Der Gitarrist hatte sein T-Shirt abgestreift.

Was gegen die Hausordnung verstieß.

Zeichen männlicher Dominanz

Die Nachrichtenseite BR24 gab die Ansicht einer leitenden Mitarbeiterin der »Innovative Sozialarbeit gGmbH« (iSo) wieder, die das Jugendzentrum betreibt: Der JuZ-Mann habe das ausgezogene T-Shirt als Provokation eingestuft, als Zeichen männlicher Dominanz. Er habe eingegriffen, was richtig sei. Er habe das Hausrecht durchsetzen müssen.

Das wirft Fragen auf. Auf Antworten aus der innovativen Sozialarbeit wartend, tritt man in Verbindung mit der Band.

Die Band will nicht besucht werden, sondern schriftlich antworten, gemeinsam.

Der männerdominierte Metal also, woher kommt das? Was denken sie?

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Wanja der Drummer verweist auf die musikalische Früherziehung und die Tendenz, »Kinder je nach Geschlecht an Musikinstrumente heranzuführen. Der Effekt ist, dass es wenige Schlagzeugerinnen gibt.« Aber eigentlich, meint er, wäre es »viel interessanter, Frauen diese Frage zu stellen«.

Das T-Shirt, warum zieht man es aus? Weil es ein Ritual ist? Ein Symbol für irgendwas? Weil man gut aussieht? Weil es heiß ist?

Stimmt alles ein bisschen, meinen sie.

Das Wohlbefinden der Anderen

Wanja, Schlagzeug: »Ein Ritual in Anlehnung an musikalische Vorbilder, ein Symbol für Freiheit und Unbeschwertheit.«

Jonas, Gitarre: »Ins Schwitzen komme ich eigentlich immer. Zur wilden Bühnenshow passt ein ausgezogenes T-Shirt gut.«

Stefan, Bass: »Die Situation ist ja befremdlich. Auf der Bühne ist man eine Persona, die dem eigenen Selbst nur bedingt entspricht. Rituale dienen dem Wohlbefinden. Aber das Wohlbefinden der anderen herabsetzen sollen sie nicht.«

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Die Bühnenfiguren im Metal sind düster. Andererseits bestehe gerade die Metalszene, so heißt es, aus besonders freundlichen Menschen, wie das?

Wanja: »Meine Theorie zu den netten Metallern ist, dass sie in der Musik ein Ventil für Wut, Aggressionen und so weiter haben und daher eher mit sich im Einklang sind als jemand, der solche Gefühle unterdrückt.«

Man liest die reflektierten, achtsamen Antworten und wüsste gern, wie die Bamberger Jugendarbeit das Geschehen sieht. Warum das Ausziehverbot? Warum der Eklat?

Das JuZ antwortet nicht. Die leitende ISO-Mitarbeiterin schreibt, sie gebe keine Kommentare mehr ab und wolle sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren.

Als Kunstfigur auftreten

Man sucht Aufklärung im Netz und findet einen alten Vorfall mit der Punkband Feine Sahne Fischfilet, in Bielefeld. Da war es der Schlagzeuger, der sich obenrum auszog. Heftige Internetdiskussion, ob er das durfte; Begründungen fürs Ausziehverbot: Es sei unsolidarisch, wenn Männer etwas tun, das bei Frauen und Trans*personen tabuisiert sei. Es sei übergriffig für Menschen, die sexualisierte Gewalt erfahren hätten, wenn sie unerwartet halb nackte Männer sehen.

Als Kunstfiguren aufgetreten, wie normale Männer behandelt – man meint ein Seufzen mitzulesen, wenn Wanja, der Drummer von Craving, schreibt: »Wir haben überhaupt kein Problem damit, wenn ein Jugendzentrum die Regel hat, dass man obenrum bekleidet sein soll.«

Die gefährlichsten Nippel von Bamberg

Sie schreiben, man habe sie nicht über die Hausordnung informiert. Als sie verstanden hätten, habe der Gitarrist mit T-Shirt weitergespielt. Sie selbst hätten dann die Polizei gerufen, um den Vorfall zu dokumentieren.

Von einer nach eigenen Angaben »überregionalen feministischen Gruppe aus dem Großraum München« wurden sie danach als Sexisten beschimpft. Man werde sie anprangern, »bis ihr nirgends mehr spielen dürft«.

Sie spielen weiter. Sie brachten ein T-Shirt heraus mit den »gefährlichsten Nippeln von Bamberg« darauf, also den Brustwarzen von Jonas. Den Erlös von 231,58 Euro, schreiben sie, hätten sie auf 300 aufgestockt und gespendet, an die Opferorganisation Weißer Ring.

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Author: Carmelo Roob

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